Kletterlager wurde trotz Wintereinbruch ein voller Erfolg
Eine muntere Truppe begeisterten Kletterenden aus Schweiz und Umgebung machen trotz enormem Wintereinbruch die Kletterrouten in den französischen Alpen unsicher. Nachfolgend ihre Geschichten mit spannenden Highlights wie neuem «Zelt-Aufstell-Weltrekord», der Erfindung der neuen Trend-Sportart «Livre-Pong» sowie sportliche Meisterleistungen im Eiswasser-Klettern.
Montag 09.09.2024 – 12:00: Wer bis zu diesem Zeitpunkt die Wetterlage noch nicht im Blick hatte, öffnete spätestens nach Erhalt der E-Mail des Leitungsteams, das erste Mal die lokale Wetterwebseite https://de.chamonix.com/meteoim. Die E-Mail informierte über den vorzeitigen Wintereinbruch und den geplanten Massnahmen sowie der optimistischen Voraussicht trocknen Fels zu finden (womit wohl der Überhang gemeint war). Trotz der Versicherung, dass das Lager ein Erfolg wird, resultierte die Nachricht nicht nur in Panik-Käufen wie neue Zelt-Böden, sondern auch in extensives Research mit Suchausdrücken «Zelten im Winter», «Überlebe ich 5 Tage ohne duschen» sowie «Wer oder was ist, ein Tarp?».
Das Lager startete in einem wechselhaften Frühlingstag. Nino und Michelle hatten die Home-Base am Campingplatz bereits eingerichtet mit Outdoor-Küche mit mehreren Kochinseln sowie gefüllter Snackbox. Auch das Tarp, das entgegen allen Erwartungen keine Mischung aus einem Tromeda und einem Kamel ist, war bereits aufgespannt. Per Auto, ÖV als auch Velo sind die Teilnehmenden angereist und versammelten sich das erste mal Mittags beim Bahnhof zu einer lustigen Kennenlern Runde. Frische Socken, Essen beim Feuer als auch die Vorliebe zu Baden in Bergseen (ohne Sonnencreme) lies die Gruppe schnell zusammenwachsen. Während die einen sich auf den Weg in den Klettergarten machten, um die regenfreien Stunden noch zu nutzen, stellte das Leitungsteam einen neuen Welt-Rekord im Zelt-Aufbau auf. Es war ein Wettlauf gegen die kommende Schlechtwetterfront.
Nach der ersten „Fädele“-Theorie-Einheit, ein paar Längen am Seil und ein paar Regentropfen später machte sich die Truppe auf dem Weg zum Camping Platz Les Marmots. Der Regen tropfte, die Gerüchteküche brodelte: Angeblich ist ein Park-Ranger des Nationalparks schon dabei Missstände bei Mountainscouts aufzudecken, worüber sich die Teilnehmenden beim nach Hause gehen, schon die Köpfe zerbrachen. Der Regen lies leider nicht auf sich warten. Jedoch lies sich die Gruppe davon nicht unterkriegen und zügelten in die Zelte, kochten 37kg Hördöpfelstock (davon 3kg Butter) und assen Znacht zusammen unter dem Tarp. Der krönende Abschluss des Tages war die Creme-Schnitte sowie die Erfindung der Sportart Livre-Pong, bei welcher im Gegensatz zum herkömmlichen Ping Pong Bücher als Schläger benutzt werden.
Die darauffolgenden Tage waren geprägt von eisigen Temperaturen, viel Niederschlag in allen möglichen Varianten und viel Quality-Time unter dem Tarp. Für Donnerstag war eine kurze Wanderung geplant, um zu einem hoffentlich trocknen Felsen zu gelangen. Die Gruppe lernte nicht nur waagrechte Mehrseillängen und selbst Abseilen, sondern auch wie schnell Niederschlag sich von Regen zu Schnee, wieder zu Regen und zu Hagel ändern kann. Jedoch liess sich davon niemand unterkriegen und die Gruppe entschied sich doch noch eine Route zu klettern, welche sich kurz nach Einstieg in einen plattigen Eiswasserfall verwandelte. Nach gemütlichem Abstieg mit überraschend wenig Niederschlag ging es zurück ins Lager mit grosser Vorfreude auf warme Duschen, dem Wäschetrockner, Tarp-Time und einem wunderbaren Znacht. Der harte Kern verweilte trotz Minusgraden noch ein Stückchen weiter draussen während sich alle anderen schon in ihre Schlafsäcke einpackten.
Die weiterhin winterlichen Temperaturen und Niederschlagsprognosen machten die Planung nicht einfach fürs Leitungsteam. Doch Freitag stand ganz im Sinne des Nationalparks und dessen aufmerksamer Mitarbeiterinnen. Ein fehlendes Foullard sorgte für Aufregung im Camping Platz Les Marmots. Die Leiterin Michelle musste eine Reihe harter Prüfungen durchmachen, um dieses schlussendlich zu bekommen. Als geübte Menschen-Knoten-Löserin sowie auch Hänge-Brücken-Führerin erledigte sie alle Challenges in kürzester Zeit. Nachdem wieder Ruhe im Mitarbeitenden Gremium des Nationalparks herrschte, machte sich die Gruppe auf in die Kletterhalle wo bis in den späten Nachmittag wilde Überhänge geklettert, Sturztraining praktiziert und die Karabiner-Einhäng-Weltmeisterin ihre neue Bestzeit aufstellte. In Erinnerung blieben viele Learnings aus den Theorie Einheiten, wie richtiges Einhängen des Seils beim Vorsteigen, Bouldern mit Karabiner am Kletterschuh sowie die richtige Gewichtsverlagerung an der Wand. Im Lager angekommen, wurde in dem erweiterten Tarp die Outdoorküche benutzt, um für alle Zuchini Fondue zuzubereiten – eine Delikatesse aus dem französischen Gebiet Haute-Savoie. Der Winter hielt weiter an und die Gruppe rutschte unterm Tarp im Kreis zusammen, Schulter an Schulter.
Am Samstag kam die Sonne raus, jedoch mit ihr auch der Sturm. Das Leitungsteam wurde ein weiteres Mal auf die Probe gestellt und musste wetterbedingt spontan umplanen. Nach einem ersten Stopp in Chamonix, wo sich eine kurze Kaffeepause zu einem Sprint zum Zug entwickelte, machte sich die Gruppe auf den Weg zurück in die Schweiz mit der Hoffnung eine windstille und sonnige Wand zu finden. Die Gruppe teilte sich in mehrere Seilschaften. Nach einem abenteuerreichen Tag machten sich die Gruppen wieder auf den Heimweg. Die Highlights wurden dann beim Znacht besprochen, wie beispielsweise die Begegnung mit Steinböcken, Helen und Lars’s Besuch am Felsen, die erste Kletterei mit Sonnenschein, Mehrseillängen sowie der Einstieg in die falsche Route. Neben den Tages-Highlights konnte auch das erste Mal unter freiem Himmel gespiesen werden. Das Panaroma-Dach-Fenster des Tarps wurde geöffnet, da es keinen Niederschlag gab.
Am Abreisetag ging die Gruppe nach Abbau des Lagers bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Spät-Sommer Temperaturen auf den Weg in den Klettergarten. In den verbleibenden Stunden wurde das gelernte Wissen der letzten Tage in eigenen Mehrseillängen, mit Sonnenstrahlen und Blick auf das Mont Blanc Massiv, angewendet. Der Abschluss vom Lager wurde gebührend mit Überraschungs-Pizza im Park gefeiert, bevor sich alle auf den Heimweg machten.
Aber ganz Besonders? Die Flexibilität, Planung und Leitung des Leitungsteams, die lustigen und positiven Einstellungen der Teilnehmenden trotz kalter und schlechter Bedingungen und natürlich Lars, in seinem ersten Mountainscoutslager, der uns alle mit seinem Lächeln erwärmte.